Das Verwaltungsgericht Berlin hat der Klage eines
Berliner Taxiunternehmers gegen ein Tempo 30-Limit auf einem Teilstück
der Lehrter Straße in Berlin-Moabit stattgegeben.
Die seinerzeit zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
führte im Jahr 2002 im ca. 570 m langen Mittelstück der Lehrter
Straße zwischen Seydlitzstraße und Kruppstraße eine Geschwindigkeitsbeschränkung
auf Tempo 30 ein. In diesem Bereich befinden sich neben einzelnen Wohnhäusern
im Süden Außenstellen des Amtsgerichts Tiergarten und der JVA
Plötzensee, der Eingang zum ehemaligen Poststadion und ein Supermarkt.
Nördlich und südlich dieses Bereiches besteht dichte Wohnbebauung;
dort galt bereits zuvor Tempo 30. Im Vorfeld waren wiederholt Stellungnahmen
des Polizeiabschnitts 33 sowie der Polizeidirektion 3 - die beide unmittelbar
vor Ort ansässig sind - eingeholt worden. Beide Dienststellen hielten
eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufgrund des gut übersehbaren
Straßenverlaufs und der geringen Verkehrsdichte nicht für erforderlich.
Es seien weder auffällig viele Geschwindigkeitsüberschreitungen
noch Unfallschwerpunkte feststellbar. Gleichwohl wies die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung auf Betreiben des sog. “Betroffenenrates”,
einer Bürgerinitiative, die zuständige Straßenverkehrsbehörde
an, eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Tempo 30 vorzunehmen. Die
hiergegen gerichtete Klage war erfolgreich.
Nach Auffassung der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts setzt eine Geschwindigkeitsbeschränkung
auf 30 km/h voraus, dass eine konkrete, über das ortsübliche Maß
erheblich hinausgehende Gefährdung des Straßenverkehrs vorliege.
Dafür sei hier nichts ersichtlich. Der betroffene Straßenabschnitt
weise nur eine geringe Verkehrsdichte auf und sei durchgängig gut übersehbar;
Kreuzungsverkehr finde nicht statt. Dies bestätigten die wiederholten
Stellungnahmen der vor Ort ansässigen Polizeidienststellen. Die Senatsverwaltung
für Stadtentwicklung, insbesondere die zuständige Staatssekretärin,
die bereits die Tempobeschränkung auf der AVUS auf Tempo 60 trotz negativer
Stellungnahmen der Fachverwaltungen angeordnet hatte (und die im April 2003
von der 11. Kammer ebenfalls aufgehoben worden ist), habe sich hierüber
ohne erkennbaren Grund, insbesondere ohne jegliche weitere Sachverhaltsermittlung
vor Ort, hinweggesetzt. Die pauschale Begründung, eine Geschwindigkeitsbeschränkung
auf Tempo 30 reduziere das Unfallrisiko, sei unzureichend. Der Gesetzgeber
habe sich innerorts für Tempo 50 als Regelfall entschieden und die
damit verbundenen üblichen Gefahren des Straßenverkehrs hingenommen.
An diese Grundentscheidung sei die Verwaltung gebunden.
Die Kammer ließ es offen, ob möglicherweise die Einführung
einer einheitlichen Tempo-30-Zone für den gesamten Bereich Lehrter
Straße, Seydlitzstraße und Kruppstraße zulässig wäre,
die sich nach anderen Kriterien richte als die hier vorgenommene “normale”
Temporeduzierung.
Gegen die Entscheidung ist der Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht
Berlin, ab 1. Juli 2005: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, zulässig.
Urteil der 11. Kammer des Verwaltungsgerichts Berlin vom 15. Juni 2005
- VG 11 A 958.04 -