Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige
VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, daß
der Käufer, der einen Mangel an einem gekauften Kraftfahrzeug beseitigt,
ohne dem Verkäufer zuvor eine erforderliche Frist zur Nacherfüllung
gesetzt zu haben, die Kosten der Mängelbeseitigung nicht vom Verkäufer
erstattet verlangen kann.
Der Kläger erwarb am 16. März 2002 von dem Beklagten, einem Kraftfahrzeughändler,
einen EG-Neuwagen Seat Arosa zu einem Preis von 6.700 €. Das Fahrzeug
wurde ihm im April 2002 übergeben. Im November 2002 erlitt es einen
Motorschaden; die Ursache für diesen Defekt ist zwischen den Parteien
streitig. Der Kläger ließ den Motor bei einer Seat-Vertragshändlerin
austauschen. Zunächst wandte er sich wegen der Erstattung der Reparaturkosten
vergeblich an die deutsche Repräsentantin des Herstellers. Mit Schreiben
vom 2. Juni 2003 unterrichtete der Kläger den Beklagten über den
eingetretenen Schaden und forderte ihn zur Erstattung der Reparaturkosten
auf; dies lehnte der Beklagte ab.
Der Kläger hat von dem Beklagten Zahlung des Rechnungsbetrags für
den Austausch des Motors in Höhe von 2.506,90 € nebst Zinsen verlangt.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht
zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Dem Kläger stehen keine kaufrechtlichen Ansprüche nach den §§
437 ff. BGB zu. Sowohl das Recht des Käufers, den Kaufpreis zu mindern,
als auch der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung setzen grundsätzlich
voraus, daß der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine angemessene
Frist zur Nacherfüllung (§ 439 BGB) bestimmt hat. Diese Voraussetzung
war nicht erfüllt, weil der Kläger die Reparatur hat ausführen
lassen, ohne dem Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu
haben. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen eine Fristsetzung ausnahmsweise
entbehrlich ist, lagen nicht vor.
Der Bundesgerichtshof hat des weiteren einen Anspruch des Klägers auf
Zahlung ersparter Nacherfüllungskosten des Beklagten gemäß
§ 326 Abs. 2 Satz 2 BGB (analog) in Verbindung mit §§ 326
Abs. 4, 346 ff. BGB verneint. Nach einer in Teilen des rechtswissenschaftlichen
Schrifttums vertretenen Auffassung steht dem Käufer ein solcher Erstattungsanspruch
zu, der im Unterschied zu den gesetzlichen Mängelrechten des Käufers
nach den §§ 437 ff. BGB nicht den Ablauf einer Nacherfüllungsfrist
zur Voraussetzung hat.
Der Bundesgerichtshof ist dieser Auffassung nicht gefolgt. §§
437 ff. BGB enthalten insoweit abschließende Regelungen, die eine
Erstattung von Mängelbeseitigungskosten in Anwendung des § 326
Abs. 2 Satz 2 BGB ausschließen. Das Gesetz räumt dem Käufer
keinen Aufwendungsersatzanspruch im Falle der Selbstbeseitigung von Mängeln
ein. Der Gesetzgeber hat bei der Neuregelung der Mängelrechte des Käufers
durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz bewußt von einem Selbstvornahmerecht
auf Kosten des Verkäufers abgesehen. Zudem ergibt sich aus dem in §§
437 ff. BGB geregelten Fristsetzungserfordernis der Grundsatz des Vorrangs
der Nacherfüllung beziehungsweise aus der Sicht des Verkäufers
eines "Rechts zur zweiten Andienung". Dieses Recht würde
unterlaufen, wenn der Käufer die Kosten der Mängelbeseitigung
gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2 BGB ohne vorherige Fristsetzung
ganz oder teilweise vom Verkäufer verlangen könnte. Schließlich
ist zu berücksichtigen, daß dem Verkäufer die Möglichkeit
einer Untersuchung und Beweissicherung genommen wird, wenn er nach der vom
Käufer durchgeführten Reparatur im Rahmen der Geltendmachung eines
Erstattungsanspruchs gemäß § 326 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 BGB
vor „vollendete Tatsachen“ gestellt wird. Hierdurch würden
sich seine Verteidigungsmöglichkeiten zumindest nicht unerheblich verschlechtern.
Urteil vom 23. Februar 2005 VIII ZR 100/04
AG Gießen – 49 C 1547/03 ./. LG Gießen – 1 S 453/03